Die Tatsache, dass es in Österreich bald zu einer Legalisierung der Euthanasie kommen könnte, ist Anlass zu großer Sorge. Zwar liegt der diesbezügliche Individualantrag schon seit Mai 2019 dem VfGH vor, eine wirklich umfassende medizinische, rechtliche und ethische Diskussion hat in der Öffentlichkeit bedauernswerterweise bislang jedoch noch nicht stattgefunden. Aus Ländern, in denen es bereits zur Legalisierung des assistierten Suizids gekommen ist kann man jedoch eine Reihe von Schlüssen ziehen, die für die jetzige Situation in Österreich große Relevanz haben.
Zunächst wird meist argumentiert, man wolle Todkranken, die große Schmerzen leiden müssen, ein „Sterben in Würde“ ermöglichen. Wie man in Belgien und in den Niederlanden bereits sehen kann, wird diese Kategorie dann bald auf Demenzkranke, Minderjährige, psychisch Kranke und sogar Strafgefangene erweitert. In Kanada kann man bereits Suizid mit einer Organspende kombinieren.
Die Fälle von assistierter Selbsttötung und Tötung auf Verlangen sind in allen Ländern, in denen die Euthanasie legalisiert wurde, stetig angestiegen. In den Niederlanden ist man bereits dazu übergegangen eine Tötung des Patienten auch bei Unzumutbarkeit des Leidens für die Umgebung zu erlauben. Zur Begründung hierfür wird in den Einzelfällen angegeben, dass dies das Beste für die Patienten gewesen sei und eine Diskussion mehr Schaden als Gutes bewirkt hätte.
Durch die Legalisierung der Euthanasie wird die Tötung zunehmend zu einer kostengünstigen Variante der „Behandlung“ von Todkranken. Die anfänglichen Sicherheitsmaßnahmen und Beschränkungen wurden etwa in Belgien und den Niederlanden mit der Zeit immer schwächer und machten letztlich den Weg zur Tötung von Menschen frei, die eigentlich gar nicht sterben wollten.
Untersuchungen im In- und Ausland haben gezeigt, dass kranke oder pflegebedürftige Patienten sich oft wertlos fühlen und sich als Last für ihre Familie und ihre Angehörigen sehen. Die wachsende Zahl von Fällen von Missbrauch oder Vernachlässigung älterer oder behinderter Menschen zeigt, dass dies ein wichtiges Thema ist. Ein überlastetes Gesundheitssystem schränkt die Qualität der Versorgung ein und kann Druck auf die Patienten ausüben, sich für den Tod zu entscheiden. Patienten, die von ihrer Familie entfremdet sind, denken möglicherweise, dass Sterbehilfe die einzige Lösung ist. Der Druck, den diejenigen ausüben, die an der Pflege der hoffnungslos Kranken beteiligt sind, kann subtil, aber dennoch sehr stark sein. Wenn der Patient beschließt, am Leben festzuhalten, anstatt sich für den Tod zu entscheiden, werden überarbeitetes medizinisches Personal und wirtschaftlich und emotional erschöpfte Familien möglicherweise gegenüber diesen Patienten, die „besser tot“ wären, weniger Toleranz zeigen. Richard Doerflinger, MA, von der Universität Notre Dame in den USA, sagt dazu: “… es besteht bald ein Druck, „das Richtige zu tun“ und den Selbstmord zu wählen … in Staaten, die assistierten Selbstmord legalisiert haben, fordern die meisten Patienten die tödlichen Medikamente nicht aufgrund von Schmerzen (oder Angst vor zukünftigen Schmerzen), sondern aufgrund von Bedenken wie „Verlust der Würde“ und „Belastung für andere“.
Eine niederländische Studie beschreibt, dass in 13% der Fälle von Tötung auf Verlangen zwischen Wunsch und Todeseintritt weniger als ein Tag liegt, in 35% erfolgt der Tod zw. einem Tag und einer Woche.
Avery Weisman, MD, von der Harvard Medical School, schreibt in seinem Buch „On Dying and Denying“: Wenn gesunde Menschen gefragt werden, was sie im Fall einer unheilbaren Krankheit tun würden, erklären viele sofort, dass sie Selbstmord begehen würden. Tatsächlich gibt es starke Hinweise darauf, dass Selbstmord bei Krebspatienten eher selten ist. . . . die Absicht, sich das Leben zu nehmen, anstatt sich einer tödlichen Krankheit zu unterwerfen, wird selten umgesetzt. . . . „Viele Menschen erleben Situationen, in denen sie aufgrund einer schweren Erkrankung oder einer verzweifelten Situation an Selbstmord denken. Das von den Befürwortern der Sterbehilfe gern beschworene Bild eines „autonomen“ Menschen, der in einer solchen Situation „rational“ entscheidet, ist eine Illusion. Darüber hinaus hat die Erfahrung gezeigt, dass Menschen, die ursprünglich erklärt hatten, unter gewissen Umständen sterben zu wollen, ihre Meinung ändern, wenn sie tatsächlich in die Situation kommen.
Das sogenannte „Recht zu sterben“ (für den Patienten) impliziert die Pflicht zu töten (für jemand anderen, in diesem Fall den Arzt).Für Ärzte und medizinisches Personal stellt dies in vielen Fällen, eine große psychische Belastung dar. Der Akt der Sterbehilfe – das Töten eines Menschen – ist weder einfach noch harmonisch. In Belgien haben Ärzte Anspruch auf Psychotherapie, nachdem sie einen Patienten „eingeschläfert“ haben. Es ist nicht ungewöhnlich, dass belgische Krankenschwestern einen Tag frei nehmen, wenn sie wissen, dass Sterbehilfe geplant ist. Untersuchungen in Kanada haben gezeigt, dass 90% der in der Palliativmedizin tätigen Ärzte gegen Sterbehilfe sind.
Sterbehilfe ist nicht erforderlich, wenn eine angemessene Palliativversorgung verfügbar ist. Unheilbar kranke Patienten können Medikamente und andere Arten der Unterstützung erhalten, um die körperlichen Schmerzen und geistigen Auswirkungen einer unheilbaren Krankheit zu lindern. Wenn diese Palliativversorgung kompetent ist, kann sie den Patienten möglicherweise von vielen Schmerzen und Beschwerden befreien und dem Patienten eine bessere Lebensqualität bieten. Die Weltgesundheitsorganisation hat festgestellt, dass „Palliativmedizin das Leben bestätigt und das Sterben als normalen Prozess betrachtet; es beschleunigt oder verschiebt nicht den Tod; es lindert Schmerzen und Leiden; es integriert die psychologischen und spirituellen Aspekte des Patienten. “Eine effektive Palliativversorgung gibt dem Patienten und seinen Angehörigen die Möglichkeit, wertvolle Zeit miteinander zu verbringen, und ermöglicht es dem Patienten, den verbleibenden Teilseines Lebens möglichst stress- und schmerzfrei zu verbringen.“
Wenn Sterbehilfe erlaubt wird, verringert sich automatisch der Anreiz zur Weiterentwicklung der Palliativmedizin. So wurde am Genfer Universitätsklinikum das Palliativteam reduziert, nachdem man beschlossen hatte, assistierten Selbstmord zuzulassen. Aus den Niederlanden wird ein (bestätigter) Fall gemeldet, in dem ein Patient euthanasiert wurde, um ein Krankenhausbett freizubekommen. Sterbehilfe könnte mehr und mehr zu einer wirtschaftlichen Methode zur „Behandlung“ von todkranken Menschen werden – die Kosten für die Gifte, die für den Tod durch Sterbehilfe verwendet werden, betragen etwa € 50 pro Injektion, während eine Chemotherapie Tausende Euros kostet. Darüber hinaus ist nicht immer sicher, ob ein Patient tatsächlich sterben wird – es gibt immer wieder „hoffnungslose“ Fälle, die sich erholen und weiterleben.